Gentest für die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
bei Ragdolls (Mutation R820W)
Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste bekannte Herzerkrankung bei Katzen. Zu den Rassen, die häufig von der HCM betroffen sind, gehören Maine Coon, Ragdoll, Perser sowie Amerikanisch und Britisch Kurzhaar. Seltener findet sich die Erkrankung bei Siamesen, Burma und Abyssiner.
Bislang wurden drei HCM-Mutationen bei Katzen beschrieben, von denen die A31P nur bei der Rasse Maine Coon und Einkreuzungen und R820W nur bei der Rasse Ragdoll und Einkreuzungen vorkommt. Die Mutation A74T findet sich bei allen Katzenrassen.
Die Vererbung der R820W-Mutation folgt einem autosomal dominanten Erbgang mit variabler
Ausprägung der Symptome. Wie alle HCM-Mutationen ist auch diese ein Risikofaktor. Dies
bedeutet, dass bei Vorliegen der Mutation die Krankheit auftreten kann, aber nicht muss. Der
Schweregrad der Erkrankung kann bei verschiedenen Tieren von mittel bis schwer schwanken, wobei
es ursächlich noch nicht nachgewiesen ist, ob die Gendosis, also Misch- oder Reinerbigkeit für die
HCM-Mutation, hier eine Hauptursache ist.
Symptome
Im Anfangsstadium ist die HCM für den Tierhalter oft schwierig zu erkennen. Erst im fortgeschrittenem Alter zeigen betroffene Tiere verdächtige Symptome, die von einem Tierarzt abgeklärt werden müssen. Hierzu gehören.
• Mangelnder Appetit
• Vermehrtes Schlaf- und Ruhebedürfnis
• Nachlassende Spielfreude und Belastbarkeit
• Beschleunigte Atmung, Hecheln • Bläuliche Schleimhäute
• Tastbare bzw. sichtbar beschleunigte Herzfrequenz
• Unklare Umfangsvermehrung des Leibes durch Ascites (Bauchwasseransammlung)
Die ersten Symptome beginnen meist im Alter von 2-4 Jahren, können allerdings bei Nachkommen, deren Eltern beide betroffen sind, bereits im ersten Lebensjahr auftreten. Männliche Tiere sind dabei häufig früher und schwerer betroffen.
Zu den hauptsächlichen klinischen Symptomen der HCM gehören:
• Verdickung der linken Herzkammerwand (Ventrikel), sowohl global als auch regional
• Verdickung der Papillarmuskeln
• systolische Vorwärtsbewegung der Mitralklappe (systolic anterior movement; SAM)
• Vergrößerung der linken Herzkammer
• Herzschwäche und Herzversagen
Der Tod durch HCM kann durch drei Mechanismen erfolgen
• plötzlicher Herztod, z. B. durch Rhythmusstörungen, Kammerflimmern,
• Herzversagen (Symptome sind Herzrasen, beschleunigte Atmung, Kurzatmigkeit, Lungenödem und Pleuraerguss),
• Thrombenbildung, einerseits im linken Vorhof durch abnorme Blutflüsse und den Rückstau
des Blutes mit Erweiterung des Vorhofs und verlangsamtem Blutfluss, andererseits in der
Kammer bei hochgradiger Erweiterung und Herzschwäche. Die Thromben im Vorhof können
abgelöst und in den arteriellen Kreislauf verschleppt werden (so kommt der sog.
Sattelthrombus an der Aufzweigung der Becken- und Beinarterien mit Lähmung der
Hinterbeine zustande).
Ursache
Alle drei Mutationen liegen im Gen für das Myosin bindende Protein C (MYBPC3). Die genaue wissenschaftliche Bezeichnung lautet A31P, G>C (Mutation 1), A74T, G>A (Mutation 2) und R820W, C>T.
Die Mutation einer einzigen Base (Molekülbaustein innerhalb eines Gens) verändert die Struktur des
Proteins und resultiert in der fehlerhaften Ausbildung der Myofibrillen des Herzmuskels. Defekte
Myofibrillen kontrahieren nicht korrekt, wodurch die intakten Muskelfasern einer höheren Belastung
ausgesetzt sind, um die Herzfunktion aufrecht zu erhalten. Als Reaktion darauf vergrößern sich die
Herzmuskelzellen, wodurch es zu einer Vergrößerung des Herzmuskels kommt.
Folgende Genotypen sind möglich:
N/N Das Tier trägt nicht die HCM-verursachende Mutation. Es ist reinerbig für die Normalkopie
des Gens. Es wird als N/N (normal = clear) bezeichnet und wird wegen der analysierten
Mutation nicht erkranken. Die Entstehung einer HCM aufgrund anderer Ursachen kann
nicht ausgeschlossen werden.
N/HCM Tiere, die in nur einer MYBPC3-Genkopie die Mutation tragen werden als N/HCM
(Anlageträger = carrier) bezeichnet. Sie sind mischerbige Träger der Mutation, eine HCM
muss sich deswegen aber nicht zwingend ausprägen. Die HCM-Mutation wird mit einer
50%igen Wahrscheinlichkeit weitervererbt.
HCM/HCM Tiere, bei denen beide MYBPC3-Gene die HCM-Mutation tragen, werden im
Befundbericht als HCM/HCM (Anlageträger = carrier) bezeichnet. Sie sind reinerbige
Träger der Mutation, eine HCM muss sich deswegen aber nicht zwingend ausprägen. Die
HCM-Mutation wird mit einer 100%igen Wahrscheinlichkeit weitervererbt.
Die Zucht
Für die Zucht ist entscheidend, dass HCM-Träger (N/HCM, tragen ein mutiertes Gen und ein normales Gen) die HCM-Erbanlage mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Nachkommen weitergeben. Bei der Verpaarung mit N/HCM-Tieren besteht also die Gefahr, dass ein Teil der Nachkommen wieder N/HCM-Tiere sind.
Der Gentest gibt Auskunft über die Veranlagung, in naher Zukunft eine HCM ausbilden zu können. Er sagt nicht, ob das Tier aktuell an HCM erkrankt ist – dies wird über eine Ultraschalluntersuchung festgestellt. Zweifellos ist es wichtig, über die genetische Veranlagung seiner Tiere bescheid zu wissen und sich bei einem positiven Gentest veterinärmedizinisch beraten zu lassen und die Pflegebedingungen entsprechend auszurichten. Die weitere besondere Bedeutung des Gentests kommt der züchterischen Anwendung zu. Der Züchter kann unter Berücksichtigung der Information über die genetische Veranlagung mögliche Anpaarungen genau planen.
Der Gentest gibt eine eindeutige Auskunft über das Vorliegen der genannten Mutationen im MYBPC3-
Gen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Mutation unter
Umständen an der Ausprägung einer HCM beteiligt sind. Bei einem negativen Gentest kann daher
nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Tier, bedingt durch andere Ursachen, im
Laufe seines Lebens keine HCM ausbildet.
Durchführung der Untersuchung
Als Probenmaterial ist ein Backenschleimhautabstrich oder auch 0,5 ml EDTA-Vollblut möglich. Über
die genaue Probenentnahme informiert ein gesondertes Informationsblatt. Das Resultat liegt in der
Regel innerhalb von 4 bis 5 Tagen nach Probeneingang vor. Der Auftraggeber erhält neben einem
Laborbefund auf Wunsch ein kostenloses, auf das Tier bezogenes Zertifikat, aus dem die genetische
Konstellation bezüglich der analysierten Krankheit hervorgeht. Für das Zertifikat ist die Angabe der
Zuchtbuchnummer oder Chipnummer erforderlich. Auf Anfrage erhält der Auftraggeber das
Entnahmematerial für einen Backenabstrich kostenlos zugesandt.